Das erste Mal auf Reisen beim Arzt!
Wir sind seit knapp 2 1/2 Monaten unterwegs und waren auch vorher schon auf einigen Reisen im Ausland. Bisher ist immer alles gut gegangen und wir haben unsere Auslandskrankenversicherung noch nie in Anspruch nehmen müssen. Bis gestern.
In diesem Beitrag erfahrt ihr, was mir (Jordana) gestern passiert ist und wie wir rund sechs Stunden von Klinik zu Klinik fuhren.
Der Unfall
Wir wollten “nur kurz” den Ort wechseln und von der Großstadt Santa Marta in den Backpacker-Ort Taganga umziehen. Wir haben uns entschieden, die knapp 4 Kilometer mit dem Local Bus zu fahren, da dieser deutlich günstiger ist als ein Taxi (die Ironie des Ganzen werdet ihr später erfahren). So weit so gut. Als wir in der Nähe unseres Hostels in Taganga waren, drückten wir die Stopp-Klingel, um dem Busfahrer zu signalisieren, dass wir aussteigen wollen. Der hält dann wortwörtlich an der nächsten Ecke. Zu dumm, dass da in Taganga die ordentlichen Straßen schon aufgehört hatten. Mit Sack und Pack mussten wir uns aus der engen Bustür quetschen. Was ich dabei übersehen habe, war dass direkt vor der Tür ein willkürlicher Haufen von Steinplatten lag. In den bin ich dann mit meinen Birkenstocks so unglücklich reingetreten, dass ich mir den großen Zeh nicht nur stark quetschte, sondern auch umknickte.
Schritt 1: Kühlen und zum Hostel
Zunächst dachte ich, ich hätte mir nur den Zehennagel aufgerissen, da ich starke Schmerzen hatte. Dann war der Zeh aber doch ungewöhnlich krumm und dick und Daniel lief zum nächsten Haus und fragte nach Eis, da die Schmerzen immer schlimmer wurden. Ein kleines Mädchen brachte uns eine Tüte gefrorenes Wasser (Einheimische in Kolumbien trinken Wasser aus 600ml-Tüten). Nachdem ich lange genug gekühlt hatte, um mich für die nächsten paar Meter bis zum Hostel bereit zu fühlen, ging Daniel noch schnell zu dem Mädchen, um ihm Geld für das Eis zu geben. Er hielt ihr einen 2000-Peso-Schein hin (ca. 60 Cent). Sie schüttelte den Kopf und sagte “tres”. Daniel kramt nach weiteren 1000 Pesos, doch sie schüttelte wieder den Kopf. “Trescientos”. Also nur dreihundert. Ob aus ihr mal eine gute Geschäftsfrau wird, ist fragwürdig, aber wir fanden sie goldig. Daniel mit drei Rucksäcken und ich mit einem also weiter zum Hostel. Da habe ich dann weiter gekühlt, denn sobald ich das Eis von dem Zeh nahm, hatte ich schon wieder höllische Schmerzen.
Schritt 2: Ab ins Krankenhaus
Ein Franzose aus dem Hostel kommentierte: “Naja, so lange du den noch bewegen kannst, ist er auf jeden Fall nicht gebrochen.” Jo, danke, aber ich kann den Zeh leider nicht bewegen. Also entschlossen wir uns gegen ca. 13 Uhr, uns auf den Weg ins Krankenhaus zu machen, um klären zu lassen, dass Knochen und Bänder noch intakt sind. Mit einem neuen “Eisstab” bewaffnet ließen wir uns ein Taxi zurück nach Santa Marta rufen (hier die eben angekündigte Ironie des Ganzen), denn in Taganga gibt es nur einen Arzt ohne Röntgengerät. Beim Krankenhaus angekommen, nuschelte der Securitymann am Eingang der Ambulanz etwas Unverständliches und schickte uns weiter zum Empfang. Der Dame dort durfte ich erzählen was passiert war und sie meinte nur kurz angebunden: Das sei kein Notfall, ich müsse in eine Klinik. Sie schrieb uns drei Empfehlungen auf einen Zettel, doch auf der Navigationsapp Maps.ME war leider keine davon eingezeichnet. Wir wollten ein Taxi zur nächsten Klinik nehmen. Der Taxifahrer wollte dafür unverschämt viel Geld haben, also sind wir die knapp 100 Meter gelaufen.
Schritt 3: Erste Klinik
Mittlerweile war das Eis geschmolzen, der Zeh pochte, die Schmerzen waren kaum erträglich. Der Zeh war zu dick für Schuhe, selbst für Flipflops. Barfuß humpelte ich die von der Sonne glühende Straße entlang. Bei der Klinik angekommen wurden wir erneut enttäuscht. Die Klinik sei nicht für Ausländer. Ich müsse in die-und-die Klinik. Ich fragte extra, ob die auch röntgen können (Kliniken sind hier im Prinzip das Gleiche wie Hausärzte). Ja, können sie. Okay, dann ab ins Taxi und hin da.
Schritt 4: Zweite Klinik
Bei Klinik Nummer Zwei angekommen, waren die Schmerzen durch die Hitze und die ruckelige Taxifahrt unerträglich. Ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Der Wachmann platzierte uns zunächst im Wartesaal, konnte dann aber doch meine Schmerzen sehen und gab uns vor anderen den Vortritt. Gracias. Eine Krankenschwester maß den Blutdruck und fragte was passierte. Sie gestand mir, dass die Klinik kein Röntengerät habe und ihre Möglichkeiten, mir weiterhelfen zu können, eher eingeschränkt sind. Aber sie wollen mich trotzdem zur Ärztin lassen und dafür sorgen, dass ich etwas gegen die Schmerzen bekomme. Doch zunächst müsse ich bezahlen. Auch interessant. Ich ging also an die “Kasse”. Die wollten eine Kopie meines Persos, haben aber keinen Kopierer. Daniel rannte gegenüber in den Copy-Shop, während ich meine ausstehende Behandlung schonmal bezahlte.
Nach langem Warten durfte ich endlich zur Ärztin. Die begutachtete meinen Zeh, fragte ob verschiedene Bereiche wehtun und bog ihn einmal ganz nach hinten, woraufhin ich laut wimmerte. Ihr Fazit: Ich müsse in eine andere Klinik zum Röntgen und dann mit dem Bild noch einmal wiederkommen. Aber erst muss ich noch zu anderen Krankenschwestern dieser Klinik für eine Spritze. Okay. Wir gehen in einen anderen Wartebereich, der voller Einheimischer mit Blutspritzern auf den Klamotten ist. Viele werden durch einen Tropf versorgt. Ich merke schnell: Das ist hier normal. Eine Krankenschwester kommt auf uns zu. Sie schreibt ein Medikament auf einen Zettel, das Daniel in der Apotheke gegenüber kaufen muss. Außerdem braucht sie vier weitere Kopien meines Persos. Als Daniel mit all dem zurück kommt, schickt die Schwester mich in ein Behandlungszimmer, in dem schon eine Frau am Tropf und mit Sauerstoffmaske sitzt. Ich lege mich hin und bekomme das Schmerzmittel (das gerade einmal 33 Cent kostete) nicht direkt in den Zeh, sondern in den Po.
Schritt 5: Röntgen
Wir nahmen uns das nächste Taxi und fuhren zur Röntgenklinik. Am Schalter sagte uns eine Frau, der nächste Termin sei in einer Stunde. Okay, dann warten wir halt weiter. Bezahlen muss man natürlich auch da wieder vorab. Pünktlich um zehn nach vier kam der Röntgentechniker und machte ein paar Bilder von meinem Zeh. Er sagte mir, es sei aktuell kein Arzt da, der den Bericht dazu verfassen könne, den könne ich erst morgen haben. Ich sagte ihm, dass ich eh zurück zu einer Ärztin müsse, die ich zuvor aufgesucht hatte und dass die wohl das Bild zu lesen wisse.
Schritt 6: Zurück zu Klinik Nummer Zwei
Mit dem Bild unterm Arm und ENDLICH weniger Schmerzen, da die Spritze schließlich wirkte, ging es zurück zu Klinik Nummer Zwei, wo man mich Gott sei Dank schon erwartete. Ich konnte direkt zur Ärztin gehen (ja, tatsächlich ohne weitere Kopien). Die schaute sich das Bild an und stellte eine starke Prellung, Stauchung, Dehnung fest; aber keinen Bruch. Juhu! Sie verschrieb mir eine Salbe und Tabletten gegen die Schwellung und schickte uns zu einer Krankenschwester, der wir sagen sollten, dass wir fertig waren. Die guckte uns nur verdutzt an nach dem Motto “Ja, und, was soll ich dazu sagen?”. Wir gingen nochmal zur “Kasse” und verlangten eine Rechnung für die Erstattung der Kosten bei meiner Versicherung. Danach besorgten wir die Medikamente in der Apotheke gegenüber. Anschließend setzten wir uns ins Taxi zurück ins Hostel. Nach sechs Stunden hin und her hatte dieser verrückte Tag endlich ein Ende.
Ende gut, alles gut
Ich soll es die nächsten Tage ruhig angehen lassen und darf nicht allzu viel laufen. Das ist aber nicht schlimm, da wir zufällig gerade in einem netten Hostel mit Pool wohnen. So lässt es sich aushalten. Da findet sich dann auch die Zeit, so einen langen Blogpost zu verfassen 😉
Eins steht fest: Ich werde mich nie wieder in einer deutschen Ambulanz aufregen, wenn man mal eine halbe Stunde oder Stunde warten muss, bis man dran ist. (Als Freundin eines Fußballspielers ist man da ja ab und zu mal zu Besuch :-P) Wenigstens wird man dort direkt an erster Stelle behandelt und hat alle nötigen Geräte vor Ort!
Was sind eure Erfahrungen mit Arztbesuchen auf Reisen?
Bis bald,
Jordana & Daniel